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Der Traum von Olympia

Die Teilnahme an den Olympischen Spielen sind wohl für jede*n Profisportler*in das größte Ziel – und bleiben für die meisten doch nur ein Traum. Für Arab Sibghatullah geht dieser Wunsch in wenigen Wochen in Erfüllung: Dann tritt er für das Flüchtlingsteam in Paris auf die Judomatte.

Arab Sibghatullahs Reise zum Judo begann in der afghanischen Region Kunduz, als er gerade acht Jahre alt war. Dank seines außergewöhnlichen Talents wurde er mit 19 Jahren in das nationale Judo-Team aufgenommen. Gezwungen, seine Heimat zu verlassen, machte er sich auf eine langwierige Reise, die ihn durch verschiedene Länder führte, darunter den Iran, die Türkei, Griechenland, Bosnien und Slowenien, bevor er schließlich im November 2022 in Deutschland ankam. Wir haben Sibghatullah in seiner Trainingsstätte beim 1. Judo-Club Mönchengladbach getroffen und mit ihm über seine große Leidenschaft und seine Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele in Paris gesprochen.

UNO-Flüchtlingshilfe: Lieber Arab, wieso bist Du nach Deutschland gekommen?

Ich bin vor einem Jahr und sechs Monaten nach Deutschland gekommen und seit einem Jahr trainiere ich jetzt hier in Mönchengladbach. Ich musste mein Heimatland Afghanistan verlassen, weil wir dort einige Probleme hatten. Ich konnte dort nicht mehr friedlich leben und musste fliehen, damit ich ein einfacheres Leben haben kann.

Einige Freund*innen und Familienmitglieder leben hier in Deutschland und deswegen habe ich mich für Deutschland entschieden. In Deutschland kann ich mich weiterentwickeln, hier wird mir geholfen, wenn ich Probleme habe. Aber es gab natürlich auch Schwierigkeiten am Anfang: Die Sprache ist schwer und man muss erst die Kultur und Verhaltensweisen kennenlernen. Die ersten Tage nach meiner Ankunft habe ich in einem Heim gelebt und da habe ich die Belastungen eher gespürt.

Jetzt habe ich eine eigene Wohnung für mich und fühle mich wohl. Es wird von Tag zu Tag besser!

UNO-Flüchtlingshilfe: Wie bist Du hier ins Team in Mönchengladbach gekommen?

Die erste Zeit in Deutschland habe ich in Kamen gelebt. In Afghanistan war ich Teil der Judo-Nationalmannschaft und ich wollte schnellstmöglich hier in Deutschland mein Training wieder aufnehmen. In Kamen gab es aber leider keinen Ort fürs Training – dabei wollte ich unbedingt weitermachen, um meinem Traum näher zu kommen. Ein Freund hat mir dann seinen iranischen Nachbarn vorgestellt und dieser hat mir wiederum Mönchengladbach vorgeschlagen, weil der Trainer dort, der selbst aus dem Iran stammt, der beste Trainer im Judo sei.

Für Judo habe ich mein Leben komplett verändert."

Arabs Trainer, Vahid Sarlak, trainiert beim 1. Judoverein Mönchengladbach die Profis des Vereins und ist als Trainer der Judo-Flüchtlingsmannschaft auch in Paris dabei. Vahid kennt die Träume und Herausforderungen der Athlet*innen nur allzu gut, denn er selbst konnte aufgrund politischer Entscheidungen im Iran nach einem internationalen Judo-Wettkampf nicht mehr in seine Heimat zurückkehren. Beim 1. Judo-Club Mönchengladbach hat Vahid eine neue Wirkungsstätte gefunden und gibt seine Leidenschaft für den Sport jetzt an Nachwuchs-Athlet*innen weiter.

MEHR ÜBER VAHID ERFAHREN

Was bedeutet es für Dich, die Judo-Flüchtlingsmannschaft zu trainieren?
Die Judo-Flüchtlingsmannschaft hat für mich eine große Bedeutung, denn ich war selber auch Flüchtling. Deswegen ist das Flüchtlingsteam für mich wie eine Familie. Ich habe zwar heute eine andere Staatsangehörigkeit, aber ich fühle mich genau wie früher, als ich neu in dieses Land gekommen bin. Deswegen habe ich vor diesem Team großen Respekt, keine Frage!

Was sind die Ziele für die Mannschaft in Paris?
Diese Frage wird mir häufig gestellt. Und ich sage immer: Meine Sportler*innen – oder eigentlich alle Refugee-Sportler*innen – haben aus meiner Sicht schon die Gold-Medaille gewonnen. Und weißt Du warum? Sie haben ihr Leben abgegeben. Und wenn jemand wie sie mit 1.000 Problemen zu kämpfen hat und trotzdem heute auf der Matte stehen kann, ist er für mich schon ein Champion. Manchmal gehört eine Medaille dazu, aber das Team hat schon für ihr Leben gewonnen, denn sie können ihre Wünsche weiter verfolgen. Deswegen sind sie für mich jetzt schon absolute Champions.

 

Wann und wieso hast Du mit Judo angefangen?

In Afghanistan habe ich Judo und Ringen (Kurash) trainiert. Aber ich musste arbeiten und gleichzeitig den Sport betreiben. So konnte ich zwar nicht sehr intensiv trainieren, aber Judo war damals schon meine Leidenschaft. Meine Freunde und ich haben uns die Weltmeisterschaften angesehen und uns dabei noch mehr in den Sport verliebt. Ich habe mir vorgenommen, noch mehr dafür zu trainieren, damit ich auch eines Tages bei einer Meisterschaft auf der Matte stehe. Diesen Wunsch habe ich mir jetzt erfüllt und ich setze mir noch höhere Ziele und will der Beste werden.

Judo ist wie ein Spiel: Je mehr Du es spielst, desto mehr verliebst Du Dich darin. Es hat aber auch einige Schwierigkeiten. Wenn Du es so willst, ist Judo sogar die schwierigste Sportart von allen. An manchen Tagen drückt Dir so sehr Dein Kopf, dass Du nicht mehr trainieren möchtest. Aber Du gehst abends ins Bett, stehst morgens wieder auf und sagst: „Ich gehe zum Training!“. Auch wenn ich älter werde und das Leben fortschreitet: ich muss trainieren! Wirklich, Judo ist einer der besten Sportarten überhaupt.

Wie war es für Dich, als Du erfahren hast, dass Du zu den Olympischen Spielen fährst?

Jeder Sportler träumt davon, zumindest einmal bei den olympischen Spielen anzutreten. Es ist eine große Chance für mich. Und zuerst hab ich es gar nicht glauben können: „Ich mit meiner Herkunft soll zu einem olympischen Wettkampf?!“ Und jetzt ist nicht mehr viel Zeit, ich bin mitten im Training. Drei Mal die Woche trainiere ich hier mit meinem Trainer, zwei Mal die Woche fahren wir ins große Trainingscamp in Köln, wo auch die deutsche Nationalmannschaft trainiert. In der Woche bleibt mir nur der Sonntag zum Ausruhen, ansonsten gehe ich jeden Tag Laufen, zum Training und ins Fitnessstudio. Körper, Geist, Psyche - es muss alles stimmen, damit Du eine gute Leistung erbringen kannst. Und ich tue gerade alles dafür, damit ich bestens vorbereitet bin. In Paris will ich dann einen guten Wettkampf abliefern und natürlich eine Medaille gewinnen.

Geflüchtete Sportler*innen bei Olympia

Das IOC-Flüchtlingsteam für die Olympischen Spiele in Paris besteht aus 36 Athlet*innen aus 11 verschiedenen Ländern, die in 12 Sportarten antreten. Um teilnehmen zu können, müssen die Sportler*innen in ihrer jeweiligen Disziplin Elite-Niveau erreicht haben und vom UNHCR als Flüchtling in ihrem Aufnahmeland anerkannt sein. Dabei wird auf eine ausgewogene Vertretung hinsichtlich Sportarten, Geschlecht und Herkunftsregionen geachtet.

Die Teilnahme des Teams an den Olympischen Spielen zeigt nicht nur ihre bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit und außergewöhnlichen Leistungen, sondern setzt auch ein starkes Zeichen für Hoffnung, Zugehörigkeit und Integration.

 

Was ist Dein Wunsch für die Zukunft?

Wenn die olympischen Spiele vorbei sind, will ich natürlich weiter trainieren und noch besser werden. Ich bin gerade erst 22 Jahre alt, ich habe noch viel Zeit. Das sind meine ersten olympischen Spiele, die ich sehr wertschätze, aber ich will auch bei den nächsten Spielen teilnehmen und der Beste werden. Außerdem muss ich mich um den deutschen Pass kümmern und meine Sprachkenntnisse verbessern. Ich habe zwar schon mit dem Lernen begonnen, aber aktuell investiere ich so viel Zeit ins Training. Aber nach Olympia möchte ich die Sprache noch besser lernen! Außerdem würde ich gern eine Ausbildung machen, noch weiß ich aber nicht genau, in welchem Bereich. Aber dafür ist aktuell auch nicht die Zeit, wegen des Wettkampfes, aber danach werde ich mich darum kümmern und mich entscheiden.

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Bemerkungen :

  • user
    Brigitta Marg-Schöne 7. June 2024 um 17:28
    Großartig! Hallo Arab, ich wünsche dir auf deinem sportlichen Weg Glück und Erfolg!! Bleibe optimistisch. du hast meine ganze Bewunderung. B.Marg-Schöne
  • user
    Elisabeth Schwenzer hanatschek 5. June 2024 um 20:22
    Ich bin froh für diesen Artikel, denn nach dem furchtbaren Attentat eines afghanischen islamisten (falls das stimmt) braucht es dringend ein Gegengewicht für alle integrationswilligen muslime. Sie sind kein Problem, wohl aber die Nazis und die rechtsradikalen , ein Sumpf
  • user
    Dietrich Köhlert 5. June 2024 um 17:14
    Wie viele wünsche ich Arab einen erfolgreichen Antritt in Paris. Möge er -gut trainiert und bestens innerlich eingestellt - gewinnen !!!
  • user
    Günter Zöller 5. June 2024 um 16:01
    Ich finde die Geschichte von Rab großartig und drücke ihm für Paris ganz fest die Daumen.Wir habebnhier in Siegen auch einen sehr guten Judo-und Kampfsportverein wo einer meiner ehemaligen Schüler,der in den 90iger Jahren aus dem Irankam,trainierte und deutscher Jugendmeister im Kickboxen wurde.